In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Netzpraxis schreibt B. SC. RWTH Alexander Lüpschen, Asset Conulting Engineer in der Koopmann Gruppe
Inbetriebnahmeprüfung ergänzt und Teilentladungsdiagnose sichert den störungsfreien Betrieb ab
Aktuelle Herausforderungen für Netzbetreiber
Qualitätssicherung kann über die Erstinbetriebnahme hinausgehen. Durch Teilentladungsmessungen können frühzeitig Schwachstellen ermittelt werden, die unter ungünstigen Umständen nach mehreren Betriebsjahren zu Ausfällen führen. Hierdurch lassen sich Betriebsausfälle und kostenintensive Instandsetzungen im Vorfeld vermeiden.
Eine Qualitätssicherung nach der Erstinbetriebnahme soll einen sicheren Betrieb gewährleisten und Fehler in der Montage oder im Material rechtzeitig erkennen. Durch nicht erkannte Fehler können erhebliche Schäden während des Betriebs auftreten, die zu erheblichen Kosten bezüglich Nachbesserung, Reparatur und Ausfallkosten führen. Dabei können Fehler sowohl in Kabeln, Muffen, Garnituren, Endverschlüssen oder der Schaltanlage auftreten. Vor allem bei nicht redundant aufgebauten Kabelsystemen, wie sie bei Windparks, in Stahlwerken und der Industrie zu finden sind, ist eine zuverlässige Qualitätssicherung unabdingbar, um Stillstandzeiten zu verhindern.
Inbetriebnahmeprüfungen
Im Rahmen der Inbetriebnahme stehen verschiedene Prüfungen zur Verfügung: Durch die very-low-frequency(VLF)-Kabelprüfung wird der Prüfling mit einer Wechselspannung von 0,1 Hz beaufschlagt. Dabei liegt der Spannungsbereich zwischen 1,5 und 3 U0 mit einer Prüfzeit von 30 bis 60 Minuten. Mittels der VLF-Prüfung wird die Spannungsfestigkeit des Kabels sowie der Zubehörteile kontrolliert.
Als weiteres Vorgehen ist die Mantelfehlerprüfung zu nennen. Für einen störungsfreien Betrieb ist ein unbeschädigter Mantel nötig. Sind Schadstellen im Mantel vorhanden, können sich nach mehreren Monaten oder Jahren nach Inbetriebnahme sog. Watertrees und Korrosionsschäden durch eindringende Feuchtigkeit in die Ummantelung des Kabels ausbilden. Während des Transports und der Montage kann der Mantel minimal beschädigt werden. Diese Schadstellen halten der Spannungsfestigkeitsprüfung stand und können lange unbemerkt bleiben, bis eine Störung entsteht. Bei der Mantelfehlerprüfung wird daher zwischen Schirm des Kabels und Erde eine Isolations- bzw. Spannungsfestigkeitsprüfung durchgeführt. Hierdurch kann nach der Verlegung die Unversehrtheit des Mantels im Rahmen der Inbetriebnahmeprüfungen sichergestellt werden.
Zuletzt sei an dieser Stelle die impulsreflexionsbasierte Messung (TDR) erwähnt. Die TDR-Messung eignet sich zur breitbandigen Untersuchung von Kabeln sowie Kabelüberg.ngen. Durch die Zeitbereichsreflektrometrie können Kabellängen gemessen werden, um die vorgegebenen Längen nach Verlegeplan zu kontrollieren. Darüber hinaus kann die Dämpfung des Kabelsystems ermittelt werden. Hierdurch lassen sich erste Rückschlüsse über den Zustand der verlegten Muffen ziehen. Basis dieser Messmethode ist Teilreflexion eines Eingangssignals an jeder Stelle einer Änderung des Wellenwiderstandes, wie sie durch Muffen hervorgerufen wird.
Teilentladungsdiagnostik als Ergänzung von Inbetriebnahmeprüfungen
Durch kleinste Schwachstellen bei der Montage oder im Material können sich Teilendladungen (TE) über Monate und Jahre zu leitfähigen Kanälen ausprägen, die ohne Vorwarnung zu einem Durchschlag und somit einen Ausfall der Komponente hervorrufen. Um solche Fehler zu detektieren, bedarf es hochentwickelter Diagnosesystemen. Vor allem Muffen, Endverschlüsse und Sammelschienen mit Feststoffisolationen sind risikoreiche TE-Fehlerquellen. Spannungsfestigkeitsprüfungen erkennen nur schwerwiegende Fehler in der Montage oder des Materials. Zur Feststellung von Teilentladungen innerhalb von Kabeln findet bei Koopmann seit Jahren das OWTS-Prüfsystem (Oscillating Wave Test System) auf Basis der gedämpften Wechselspannung (DAC) als 60-kV-Gerät im Kabelmesswagen sowie einer als modular aufgebauten 250-kV-Prüfanlage erfolgreich Anwendung. Dieses Messsystem ermöglicht eine zerstörungsfreie Prüfung. Die Frequenz für das Kabelsystem durch die OWTS-Prüfung liegt nahe der Betriebsfrequenz von 50 Hz und ermöglicht somit eine Prüfung nahe der Betriebsbedingungen.
Für die Ermittlung von Teilentladungen an feststoffisolierten Sammelschienen ist ein 100-kV-Teilentladungsmesssystem im Einsatz. Mit Hilfe dieser Prüfung lassen sich die Montagearbeiten an der Sammelschiene nach Neuinstallation oder Reparaturmaßnahmen überprüfen sowie Schwachstellen frühzeitig aufspüren, bevor eine Störung und somit ein Ausfall eines Umspannwerkes hervorgerufen wird.
Beispiele
Die Praxis zeigt verschiedene Schwachstellen, die durch Inbetriebnahmeprüfungen, Teilentladungsdiagnostik sowie Wiederholungsprüfungen verhindert werden können:
• Störlichtbogen an Endverschlüssen an einer Mittelspannungs-Schaltanlage,
• durch Teilentladungen zerstörte Muffen,
• Auslösung eines Leistungsschalters durch eine defekte Muffe,
• fehlerhaft geschrumpfte Muffen, in die Feuchtigkeit eindringen konnte,
• Hohlräume in Muffen,
• Mantelfehler,
• Teilentladungen in Mittelspannungskabeln,
• starke Abweichungen zwischen realer Kabellänge und Verlegeplänen,
• unzureichende Montage und Erdung der Metallgehäusen von Mittelspannungs-Steckern.
Rechenbeispiel
Im Störfall mit einer teilweisen Zerstörung des Umspannwerks ist der Betrieb des gesamten Windparks nicht möglich, da die Kabelverbindungen zur Einspeisung der Windkraftanlagen zum Transportnetz nicht redundant gestaltet sind. Dies hat den Ausfall des gesamten Windparks zur Folge. Bei einer angenommenen Anschlussleistung des Windparks in Höhe von 62 MW ergeben sich in an windreichen Tagen im Herbst schnell Ausfallskosten durch nichteingespeiste Leistung von 5.700,– € pro Stunde. Für Arbeiten an Mittelspannungsschaltanlagen inklusive Kabelstrekken sind Arbeits- und Lieferzeiten von Ersatzkomponenten sechs bis acht Wochen keine Seltenheit. So kann ein solcher Störfall schnell Gesamtkosten im hohen sechsstelligen Bereich verursachen. Je nach Größe des Windparks, Ausmaß des Schadens sowie Sonderanfertigungen von Ersatzkomponenten kann auch die Millionengrenze überschritten werden. Demgegenüber stehen die deutlich geringer ausfallenden Kosten und der Arbeitsaufwand für umfangreiche Inbetriebnahme- und Wiederholungsprüfungen sowie der Teilentladungsdiagnose der Schaltanlage sowie Kabel inklusive Garnituren.
Fazit
Nicht alle Montage- und Materialfehler können durch die als heute Standard angesehenen Inbetriebnahmeprüfungen gefunden werden. Besonders bei nicht redundanten Anschlüssen, wie sie bei Windparks, Stahlwerken und der Industrie anzutreffen sind, sind hohe Ansprüche an die Qualität der versorgenden Komponenten zu stellen, um den sicheren Betrieb nicht zu gefährden. Auf dieser Basis sind Teilentladungsmessungen an wichtigen Kabelverbindungen empfehlenswert, um Stillstandzeiten und damit verbundenen Kosten zu vermeiden.
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