In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Netzpraxis - Magazin für Energieversorgung schreibt Alexander Lüpschen, Asset Consulting Engineer in der Koopmann Gruppe:
TE-Messung vereitelt Millionenschaden in Raffinerie
Mit dem Kabelmesswagen Centrix eine akute Notfallsituation erfolgreich abgewehrt
Koopmann Energie- und Elektrotechnik ist ein auf Notfälle spezialisiertes Service-Unternehmen für Energieversorger. Als solches wurde es zu einem Notfall in einer Erdölraffinerie herbeigerufen. Der Ausfall von einem Mittelspannungskabel führte zum Abschalten eines Leistungsschalters. Die Pumpen zum Transport des Erdöls standen still. Damit fiel die Produktion aus und es bahnte sich ein Millionenschaden an. Es folgte eine dramatische Suche nach dem Fehler.
Wer als Netzbetreiber Verantwortung für die Versorgungssicherheit trägt, will in der Regel ein Kabelmesswagensystem, dass ideal auf seine Netzinfrastruktur zugeschnitten ist. Oft stellt sich aber vor der Anschaffung die Frage, ob das System ausschließlich zur Ortung von akuten Störfällen eingesetzt werden soll, oder ob es nicht besser im Rahmen der zustandsorientierten Instandhaltung auch über effiziente Diagnoseanlagen verfügen soll, damit der Fehler im Kabel erst gar nicht entstehen kann.
Mittlerweile gibt es hochentwickelte Diagnosemethoden wie Tan-Delta-Messungen, TE-Systeme, wie etwa die SebaKMT VLF-Anlagen mit 50 Hz Slope-Technologie, oder die „Gedämpfte Wechselspannung“ DAC von Megger, die ein erdverlegtes Kabel schonend und erst recht - zerstörungsfrei - diagnostizieren können. Das ist vielen mittlerweile bekannt. Weniger bekannt ist aber die Tatsache, dass diese bewährten Systeme auch die Reaktionsfähigkeit im Notfall entscheidend verbessern und die Fähigkeit zur Kabelfehlerortung exorbitant erweitern. Deshalb ist die Fragestellung: „Soll unser neues Kabelmesswagen-System mit oder ohne Diagnose ausgerüstet sein?“ aus unserer Sicht als Service-Dienstleister überflüssig geworden.
Keine Alternative zur zustandsorientierten Instandhaltung
Es ist ja mittlerweile eine bekannte Tatsache, dass die zustandsorientierte Instandhaltung die effizienteste und günstigste Instandhaltungsstrategie für Netzbetreiber ist. Mit der Expertise von Koopmann Energie- und Elektrotechnik empfehlen wir unseren Kunden allein diese Wartungsstrategie, da sie erwiesenermaßen die beste Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Versorgungsicherheit bietet. Das liegt vor allem daran, dass der Netzbetreiber erst handeln muss, wenn eine Kabeldiagnose auf bevorstehende Probleme hindeutet – anstatt präventiv, also rein auf Verdacht, völlig intakte Kabelstrecken auf Grund hohen Alters zu ersetzen – oder noch schlimmer, wenn der Kabelfehler auftritt, großen Schaden anrichtet, um ihn dann viel zu spät kostenintensiv zu beseitigen. Das ist von allen Wartungsstrategien die teuerste und ineffizienteste – und bis heute in der Praxis leider immer noch die häufigste. Mit oft fatalen Folgen, wie der folgende Fall deutlich vor Augen führt. Wir beschreiben den Ablauf eines beispielhaften Falles aus unserer Praxis, der aufzeigen soll, wie ein Fehler erst mit Hilfe der Diagnosefunktion „Gedämpfte Wechselspannung“ DAC von SebaKMT Megger geortet werden konnte und so eine Erdölraffinerie vor einem Millionenschaden bewahrte. Wäre die Technologie bereits im Vorfeld eingesetzt worden, hätte der entstandene Schaden verhindert werden können.
Ausfall aller Erdölpumpen in einer Erdölraffinerie
Bild_2 Unser 24-Stunden-Service-Team wurde zu einem Störfall in einer Erdölraffinerie gerufen. Plötzlich, und ohne jede Vorwarnung fiel dort ein 20 KV-Mittelspannungskabel aus. Der Leistungsschalter, der die Hochdruckbehälter mit Energie versorgte, schaltete die Energiezufuhr ab. Mit verheerenden Folgen für die Raffinerie: Die Pumpen fielen aus. Der Betrieb in der Raffinerie kam vollständig zum Erliegen, weil das durch die Pipelines angelieferte Erdöl nicht mehr weiter verarbeitet werden konnte. Es stand ein millionenschwerer Schaden im Raum, den man kaum wieder gut machen konnte. Unsere Aufgabe war es nun, diesen Schaden in einem erträglichen Rahmen zu halten.
Die Isolationsmessung
Als erste Maßnahme konnte unser Notfall-Team die Stromversorgung auf ein anderes Kabel umschalten und zumindest einen Teil der Pumpen wieder in Betrieb setzen. Doch woher kam der Fehler? Mit unserem Kabelmesswagen SebaKMT Centrix von Megger führten wir zunächst eine standardmäßige DC-Isolationsmessung mit 1.000 V und begleitender Kapazitätsmessung an dem 20-KV-Kabel durch. Mit dieser Isolationsmessung stellt man zunächst fest, ob es sich um einen reinen Kurzschluss handelt, ob der Fehler hochohmig ist – oder ob es überhaupt einen Fehler gibt. Zudem könnte der Vergleich der Isolationswiderstände und Kapazitätswerte aller Phasen ein Indiz auf einen möglichen Kabelfehler geben. Dies war in diesem Fall aber nicht so. Es gab keinen Kurzschluss und auch keine deutlichen Unterschiede der Isolationswiderstände an allen Phasen.
Die Reflexionsmessung
Bild_3 Nun führten wir eine klassische Reflexionsmessung mit dem Teleflex VX von Megger durch. Das Ende des Kabels war dabei dank einer längenabhängigen Amplitudenverstärkung sehr einfach zu erkennen. Alle drei Phasen hatten keine Abweichungen voneinander. Das ist ein sicherer Hinweis dafür, dass es auf der gesamten Strecke vom Messpunkt bis zum Kabelende keine besonderen Auffälligkeiten gibt. Wir wurden also auch hier nicht fündig.
Die VLF-Prüfung
Nun brachten wir stärkeres Geschütz in Stellung und setzen im nächsten Schritt unsere VLF-Anlage an Bord des Centrix ein. Mit einer Spannung von 3 x Uo 36 kV wollten wir den Fehler zum Durchschlag zu bringen. Gerade als Service-Dienstleister müssen wir auf alle möglichen Fälle vor Ort vorbereitet sein. Deshalb setzen wir von Koopmann auf die leistungsfähigsten VLF-Prüfanlagen mit Cosinus-Rechteck-Technologie von Megger, die in allen unseren Messwagensystemen integriert sind. Nur mit diesem System kann man normgerecht extrem lange Kabelstrecken prüfen. Das ist eine besonders wertvolle Fähigkeit für uns. Doch auch hier kam es wider Erwarten zu keinem Durchschlag. Das Kabel hielt dieser hohen Belastung tadellos stand. Außer einem leicht erhöhten Ableitstrom endeckten wir wieder keine Auffälligkeiten. Der Fehler am Kabel, den es ja geben musste, hielt sich tapfer vor uns verborgen.
Obwohl es einen Fehler geben musste, konnte keiner am Kabel festgestellt werden
Ich gebe zu, langsam kam etwas Nervosität in unserem erfahrenen Team auf. Alle Standard-Methoden, mit denen wir so gut wie immer Erfolg haben, brachten uns in dieser Nacht nicht wirklich weiter. Bei kunststoffisolierten Kabeln hätten wir jetzt noch eine Mantelprüfung durchgeführt. Obwohl die Mantelprüfung in unserem Centrix integriert ist, setzen wir auch gerne das portable System MFM10 von Megger ein. Wir schätzen hier vor allem die enorme Flexibilität im Einsatz. Ein Komplettanschluss des Messwagens wird dadurch oft überflüssig und spart im Sinne unserer Kunden teure Einsatzzeit. Da es sich aber in diesem Fall um ein papierisoliertes Kabel handelte, konnten wir die Mantelprüfung nicht einsetzen.
Der Leistungsschalter
Im Folgenden nahmen wir uns zur Sicherheit die Kontaktwiderstände am Leistungsschalter vor, da schließlich dessen Auslösen zum Betriebsausfall der Pumpen führte. Für solche Fälle führen wir routinemäßig das Niederohmmessgerät MOM 2 von Megger in unserem Notfallgepäck mit. Durch die kompakten Maße und dem geringem Gewicht von gerademal einem Kilo finden wir in jedem Messwagen einen Platz dafür.
Trotz seiner handlichen Abmessungen stellt uns das MOM 2 reichliche 200 Ampere Prüfstrom zur Verfügung, mit denen wir so gut wie alle Anforderungen abdecken können. Doch auch diese wichtige Niederohmmessung am Leistungsschalter führte zu keinem Ergebnis. Das gesamte Netzwerk war im Grunde tipptopp in Ordnung. Das war letztendlich unser Ergebnis. Deshalb entschieden wir uns mit gutem Gewissen, das Kabel wieder ans Netz zu schalten. Die Anlage fuhr wieder hoch und – lief tadellos. Das Problem schien gelöst. Die Raffinerie brachte wieder ihre volle Leistung. Unser Auftraggeber war zufrieden. Doch wir wussten bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht warum.
Die Raffinerie stand wieder still
Drei Tage später kam erneut ein Anruf der Raffinerie. Die Strecke hatte abermals ausgelöst. Alle erneut eingeleiteten und beschrieben Standard-Maßnahmen brachten, wie zuvor, keinen Erfolg. Es erhärtete sich bald der Verdacht, dass es sich hier um einen periodisch auftretenden Fehler handeln könnte, der sich allen klassischen Fehlerortungsmethoden konsequent entzieht, wenn man nicht zufällig gerade zum richtigen Zeitpunkt an die Kabelstrecke geht. Ein für den Netzbetreiber glücklicher Umstand war es schließlich, dass wir an diesem Tag mit unserem Kabelmesswagensystem SebaKMT Centrix 1 80 TE vor Ort waren und dieser mit den hochentwickelten Diagnosefunktionen für gedämpfte Wechselspannung DAC ausgestattet ist. Wir empfahlen nun dem Unternehmen eine Teilentladungsmessung (TE). Seit Jahren setzt Koopmann bei der TE-Messung die gedämpfte Wechselspannung (DAC) von SebaKMT ein, weil sie bis heute die einzige zerstörungsfreie TE-Messung auf dem Markt ist. TE-Messungen anderer Hersteller zerstören das Kabel unwiederbringlich und sind deshalb für eine Ortungsfunktion völlig ungeeignet. Doch mit DAC können nach einer TE-Diagnose selbst kritische Kabel wieder in Betrieb genommen werden.
Der Fehler ist endlich gefunden
Und genau das zahlte sich in dieser Situation aus, denn jetzt kamen wir endlich dem Fehler auf die Spur. Plötzlich erkannten wir an einer Muffe starke Auffälligkeiten durch erhöhte TE-Pegel.
In der Grafik (Bild_5) sind eindeutige Teilentladungen an einer Muffe in 120 Meter Entfernung zu erkennen (x-Achse ist Kabellänge, y-Achse ist TE-Pegel Höhe). Bei intermittierenden Fehlern ist nach unserer Erfahrung nicht die Pegelhöhe entscheidend sondern die TE-Häufigkeit. Da es in diesem Fall nur diese TE-Schwachstelle gab, war hier die Erkenntnis, was letztendlich zu diesem intermittierenden Fehler geführt hat, leicht zu treffen. Der Fehler war gefunden.
Anhand der vorbildlichen Dokumentation des Unternehmens konnten wir sofort feststellen, wo genau sich diese Muffe befand und von welchem Typ sie war: Es handelte sich um eine ölgefüllte Verbindungsmuffe in einem Papier-Massekabel. Das typische Fehlerbild mit sogenannten „Wischern“ passte ebenfalls zu diesem Muffen-Typ. Das musste die Ursache sein. Ohne weitere Verzögerung hat unser Team die Muffe sofort lokalisiert und ausgetauscht. Eine wiederholte VLF-Prüfung, vorgeschrieben nach VDE-Norm 0726 (HD XY) und eine weitere TE-Messung zeigten keine Auffälligkeiten mehr. Die Teilentladungen an der Muffe waren weg. Der Betrieb konnte sofort wieder vollständig aufgenommen werden und die Kabelstrecke ist seitdem nicht wieder ausgefallen.
Unser Fazit: ein Kabelfehlerortungssystem mit einer zerstörungsfreien TE-Messfunktion wie sie derzeit nur die DAC-Methode von Megger bietet, ist eindeutig das bessere Kabelfehlerortungssystem. Ohne diese Technologie oder mit einem beliebigen Kabelfehlerortungssystem von anderen Herstellern, hätten wir diesen Kabelfehler definitiv nicht orten können. Und schließlich war auch dem vorbildlichen Dokumentationswesen des Unternehmens selbst zu verdanken, dass wir die Muffe präzise lokalisieren und genau bestimmen konnten.
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