In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift ew Magazin der Energiewirtschaft schreibt Martin Frangen, Geschäftsführer der Koopmann Gruppe
Zustandsbewertung zur effektiven Instandhaltung
Aktuelle Herausforderungen für Netzbetreiber
Netzbetreiber und Anlagenverantwortliche sorgen täglich für ein sicheres, zuverlässiges und leistungsfähiges Energieversorgungssystem. Dabei besteht nach § 11 des Energiewirtschaftsgesetzes die Vorgabe, das Versorgungsnetz diskriminierungsfrei zu betreiben. Um dies zu erfüllen, sind regelmäßige Wartungen sowie Ausbaumaßnahmen an kritischen und überlasteten Stellen notwendig.
Die erneuerbaren Energien verändern die Rahmenbedingungen für die Netzbetreiber. Darüber hinaus ist die Altersstruktur der vorhandenen Betriebsmittel eine neue Hürde. Viele Betriebsmittel haben ein Alter erreicht, das deutlich über der ursprünglich vorgesehenen Lebensdauer liegt. Sie stehen somit vor oder bereits hinter ihrem geplanten Lebensdauerende. Dies hat zur Folge, dass eine effiziente und langfristige Instandhaltung zunehmend an Bedeutung gewinnt.
Hierbei ist die wirtschaftliche Zumutbarkeit ein weiterer wichtiger Aspekt, so dass eine Balance zwischen Investitionen in das bestehende Netz und Versorgungssicherheit gefunden werden muss. Kosten für Wartungen, Reparaturen sowie Instandsetzungen tragen zu einem erheblichen Teil zu den Gesamtkosten der Netzbetreiber bei [1].
Instandhaltung
Nach VDE 109 umfasst Instandhaltungsmaßnahmen Inspektionen, Wartungen, Instandsetzungen sowie Verbesserungen. Für eine Umsetzung existieren mehrere Strategien [2]. Unter der Prämisse, die Gesamtkosten zu minimieren, erweist sich die zustandsorientierte Instandhaltung als geeignetes Werkzeug, um die Versorgungssicherheit zu ermöglichen und gleichzeitig eine wirtschaftlich vertretbare Lösung zu liefern. Dies liegt daran, dass Maßnahmen nur durchgeführt werden, wenn diese abhängig vom Zustand der jeweiligen Betriebsmittel nötig sind. Dafür sind Inspektionen und Messungen, die zur Identifikation des Zustands beitragen, unabdingbar. Sie sind wirtschaftlich günstiger als vorbeugende Instandhaltungsmaßnahmen, die in regelmäßigen Zeitintervallen durchgeführt werden. Als elementare Basis gilt dabei die objektive und realitätsgerechte Bewertung des Zustands, um einen Vergleich verschiedener Betriebsmittel zu ermöglichen. Zu den zu überprüfenden Betriebsmittelgruppen gehören Transformatoren, Kabel, Schutzgeräte, Leistungsschalter, Mittel- und Niederspannungsschaltanlagen sowie Ortsnetzstationen [1, 3].
Komponenten der Zustandsbewertung
Für die Identifikation des Zustands sind einzelne Indikatoren, die anhand einheitlicher, visueller Inspektionen sowie Messtechniken bewertet werden, notwendig. Darüber hinaus sind die historischen Daten der im Laufe des Betriebsmittellebens durchgeführten Inspektionen sowie Stammdaten der Hersteller eine geeignete Grundlage für die Zustandsbewertung. Jedes Betriebsmittel erhält in einer Inspektionscheckliste spezifische Indikatoren, die nach einem Klassifizierungsschema bewertet werden, um einen objektiven Zustand zu ermitteln. Dabei ist darauf zu achten, dass unter gleichen Bedingungen die Bewertung reproduzierbar ist und somit subjektive Einflüsse durch die ausführenden Mitarbeiter verringert werden. Dies wird durch Schulung der Mitarbeiter sowie einen einheitlichen Schadenskatalog ermöglicht. Darüber hinaus erhöht die Integration unterschiedlicher Messverfahren und der Abgleich gewonnener Messwerten die Aussagefähigkeit des Zustandswerts [4].
Bewertungsmodelle
Für die Bewertung gibt es verschiedene Möglichkeiten, angefangen von der einfachen Summenbildung bis hin zu komplexen mathematischen Modellen. Hierbei ist darauf zu achten, dass durch den Zustandswert der reale Zustand widergespiegelt wird und somit die unterschiedlichen Betriebsmittel untereinander vergleichbar sind, um auf dieser Basis fundierte Entscheidungen hinsichtlich der Instandhaltungsmaßnahmen treffen zu können. Zudem darf es zu keinem ausgleichenden Verhalten guter und schlechter Zustandswerte kommen. Als Herausforderung ist darüber hinaus die Festsetzung von Grenzwerten sowie Bewertungsregeln wichtig [4].
Externe Dienstleister
Die Durchführung einer solchen Zustandsbewertung durch einen Dienstleister bietet gegenüber Herstellern der Betriebsmittel einige Vorteile. Zum einen hat der Dienstleister die Möglichkeit, mehrere Betriebsmittel verschiedener Hersteller zu inspizieren und in eine Gesamtbewertung zu kombinieren. Darüber hinaus besteht kein Interesse am Verkauf eines neuen Betriebsmittels, solange eine Neuanschaffung technisch nicht notwendig ist. Dies hat zur Folge, dass durch einen Dienstleister eine objektive Zustandsbewertung ermöglicht wird und mit dem Kunden bei Bedarf herstellerunabhängige Instandhaltungsmaßnahmen geplant werden können.
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Literatur
[1] Balzer, G.; Schorn, C.: Asset Management für Infrastrukturanlagen – Energie und Wasser. 1. Auflage, Springer Verlag, Heidelberg, Dordrecht, London New York, 2011, ISBN: 978-3-642-05391-7.
[2] Verband für Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik e. V.: DIN V VDE V 109-1, Vornorm, Instandhaltung von Anlagen und Betriebsmitteln in elektrischen Versorgungsnetzen – Teil 1: Systemaspekte und Verfahren. VDE Verlag GmbH, Berlin, 2008.
[3] Kaflowski, G.: Systematische Zustandsbewertung von Mittelspannungsanlagen als Grundlage einer optimalen Instandhaltungsstrategie. Dissertation Universität Siegen, 2013.
[4] Beerboom, D.; Johae, C.; Zdrallek, M.; et al.: Realitätsgerechte Zustandsbewertung von Verteilungsnetzen als Basis optimierter Assetstrategie. VDE Kongress Diagnostik Elektrischer Betriebsmittel, 2012.